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Luzerner Pfahlbauten schreiben die Geschichte um

Luzerner Pfahlbauten schreiben die Geschichte um
Ein Taucher der Unterwasserarchäologie der Stadt Zürich bringt einen Holzpfahl ans Land. (Bild: lu.ch)

Neue Funde im Luzerner Seebecken legen offen, dass die Besiedlung der Zentralschweiz weiter zurückgeht, als bislang vermutet.

Bisher zeugten verstreute Fundstücke aus der Stein- und Römerzeit davon, dass Luzern im frühen Mittelalter nicht «aus dem Nichts» entstanden ist, sondern auch die vorangehenden Epochen Teil ihrer Geschichte sein müssen. Bis vor kurzem fehlten Spuren, die eine Lokalisierung älterer Siedlungen ermöglicht hätten. Keine Mauer, kein Grab, nicht einmal die Pfostengrube eines Holzgebäudes: der "Stadtplan" zu Luzerns Frühgeschichte präsentierte sich als weisser Fleck – bis 2020.

Ab dem 7. und 8. Jahrhundert nach Christus begann der Pegel des Vierwaldstättersees kontinuierlich zu steigen. Der Grund dafür war zunächst ein natürlicher: Der Krienbach brachte bei Unwettern grosse Mengen an Geröll und Geschiebe Richtung Reuss und engte den Seeausfluss zunehmend ein. Mit der allmählichen Überschwemmung des heutigen Seebeckens veränderte sich die ursprüngliche Siedlungslandschaft grundlegend. Die beim Kloster St. Leodegar im Hof entstandene Siedlung verlagerte sich auf den höher gelegenen Felsrücken der heutigen Altstadt. Die Hofkirche als Keimzelle der Stadt liegt deshalb heute nicht im Zentrum, sondern seltsam abseits.

2020 bot der Bau der Seewasserleitung für das See-Energiezentrum Inseliquai der ewl AG erstmals die Gelegenheit, einen unmittelbaren archäologischen Blick in die Verhältnisse des Seegrunds zu erhalten. Vom Dezember 2019 bis Mai 2020 arbeitete sich ein Schwimmbagger 1.1 Kilometer quer durch das Seebecken und schuf dabei einen 1.5 Meter tiefen Graben. Im Auftrag der Kantonsarchäologie wurden die Bauarbeiten durch die Tauchequipe der Unterwasserarchäologie der Stadt Zürich begleitet. 

Im März 2020 hob der Bagger neben Schwemmsedimenten zahlreiche Holzpfähle aus dem Wasser. Den Taucharchäologen war schnell klar, dass es sich bei den künstlich zugerichteten Pfählen um prähistorische Bauhölzer handelt.

Dank der Feuchtbodenerhaltung sah das Holz aus, als wäre es erst vor wenigen Tagen gefällt worden. Bald kamen nebst den erwähnten Bauhölzern auch erste Keramikscherben zum Vorschein. Der Leitungsgraben führt somit mitten durch ein Areal mit Resten von Pfahlbausiedlungen. Bis jetzt liegen Hinweise auf zwei separate Fundstellen vor: die eine an der ehemaligen Uferkante, die andere weiter landeinwärts. Die Datierung der Bauhölzer mit der C14-Methode und die Analyse der Keramik belegen die Datierung dieser Siedlungsreste in die späte Bronzezeit, in die Jahre um etwa 1000 v. Chr.

Mit dem Nachweis dieser 3000 Jahre alten Siedlung wird auch Luzern auf einen Schlag um rund 2000 älter, als dies bisher belegt werden konnte. Und nicht nur das: Luzern stellt sich damit in die Reihe bedeutender Städte wie Zürich oder Genf und belegt damit, dass auch in der heutigen Zentralschweiz die Lage am Ausfluss grosser Seen seit Urzeiten begehrt und der politischen wie wirtschaftlichen Entwicklung der Siedlungen förderlich war. (pd)

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