Deutsch als Zweitsprache, Muttersprachlicher
Unterricht
Eine große Zahl von Migrantenkindern
hat beim Eintritt in die Schule nicht die Kenntnisse der deutschen Sprache,
die für die erfolgreiche Teilnahme am Regelunterricht erforderlich sind.
Betroffen sind sowohl Kinder, die hier geboren sind, als auch Seiteneinsteiger,
die erst im Verlauf ihrer Schullaufbahn nach Deutschland kommen. Der Unterricht
in Deutsch als Zweitsprache hat das Ziel, den Migrantenkindern so schnell
wie möglich die erforderlichen Deutschkenntnisse zu vermitteln.
Gute Kenntnisse in der Muttersprache sind eine wichtige Voraussetzung für
den Erwerb einer weiteren Sprache.
Deutsch sprechen lernen genügt noch nicht
Neue Erkenntnisse zeigen, dass die Chancengleichheit
bei Kindern aus fremdsprachigen Familien nur durch eine strukturierte und
spracherwerbstheoretisch fundierte Förderung im Vorschulalter möglich
ist. Karin Wymann und Zvi Penner
Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit gehören mittlerweile zum Alltag.
Multikulturelle, mehrsprachige Klassen sind angesichts der Tatsache, dass
in der Schweiz 25–30 Prozent jedes Jahrgangs nicht-deutschsprachige
Kinder sind, keine Besonderheit mehr. Das bedeutet, dass in jedem Klassenzimmer
durchschnittlich jedes dritte bis fünfte Kind Deutsch erst als Zweitsprache
lernt.
Wie auch die Ergebnisse der Pisa-Studie zeigen, sind Migrationskinder in unserem
Bildungssystem benachteiligt. Die schulische und berufliche Bildung setzt
stillschweigend eine Beherrschung der Schulsprache als Hauptmittel des Wissenserwerbs
voraus. Migrantenkindern gelingt es jedoch häufig nicht, die Schulsprache
vollständig zu erwerben.
In der Schweiz besuchen immer weniger Kinder aus Migrantenfamilien höhere
Schultypen. Dagegen sind Immigrantenkinder in Sonderklassen dreimal häufiger
als vor 20 Jahren und proportional übervertreten, da die Zahl der Schweizer
Kinder im gleichen Zeitraum um einen Fünftel zurückgegangen ist,
was ein Verhältnis von 3,8:1 ergibt (Kronig 1999). Die Pisa-Befunde zeigen,
dass sich die Kinder mit Migrationshintergrund auch während der Schulzeit
nicht massgeblich verbessern. Ihre sprachlichen Defizite bleiben hartnäckig
bestehen.
Kritische Bereiche des Zweitspracherwerbs
Als Hauptursache für die unzureichenden
Sprachkenntnisse gilt der ungünstige Umstand, dass die meisten Migrantenkinder
erst beim Eintritt in den Kindergarten mit dem Deutschen in Kontakt kommen,
d.h. nach Ablauf der so genannten «kritischen Phase der Sprachentwicklung».
Findet der Zweitspracherwerb nach der kritischen Phase statt, können
in der Regel zentrale Bereiche der Sprache ohne gezielte Förderung nicht
mehr vollständig erworben werden. Daraus ergeben sich Stagnationen im
Sprachlernprozess. In spezifischen Bereichen des Spracherwerbs entstehen empfindliche
Lücken, die schneeballeffektartig zu einer erheblichen Beeinträchtigung
der Verstehenskapazität der Kinder führen. Dies obwohl viele der
fremdsprachigen Kinder dem ungeschulten Beobachter im Alltag als sprachlich
unauffällig erscheinen.
Die betroffenen Bereiche sind aber unglücklicherweise genau diejenigen,
welche für das schulische Sprachverstehen entscheidend sind. Im Gegensatz
zu denjenigen sprachlichen Fähigkeiten, welche für die Alltagskommunikation
ausreichen, da vieles aus der Situation heraus erschlossen werden kann.
Aus dieser Diskrepanz entsteht das Hauptproblem der schulischen Integration:
Obwohl in der Schule die abstrakte, höhere Sprachfähigkeit stillschweigend
vorausgesetzt wird, geht ein Grossteil der Sprachlehrgänge für fremdsprachige
Kinder kaum auf diese Ebene des Sprachverstehens ein, sondern konzentriert
sich primär auf allgemein kommunikative Fähigkeiten.
Förderung von Migrantenkindern